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Professur für Forst- und Umweltpolitik, Freiburg

Die an der Professur für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg durchgeführte Dissertation beschäftigt sich mit Wasser-Governance. Governance bezeichnet ein vielfältiges, mehrebiges Steuerungs- und Regelungssystem, das unterschiedliche politische Interaktionen und Entscheidungsfindungsprozesse staatlicher und nicht-staatlicher Akteure einschließt. Innerhalb der Politikwissenschaft werden drei Dimensionen von Politik unterschieden: Policy bezeichnet die Politkinhalte eines Politkfeldes, Politics den Prozess des Aushandelns dieser Politikinhalte und Polity das politische System mit seinen politischen Institutionen, in dem die Polikinhalte ausgehandelt werden.

Wassernutzung betrifft verschiedene Politikfelder, weswegen es wichtig ist, die Governance von Dürre als Querschnittsthema zu untersuchen. In Situationen, in denen es zu Wassermangel kommt, wird eine Priorisierung von verschiedenen Wassernutzungen und somit auch WassernutzerInnen zentral. Hier eröffnen sich Verteilungsfragen. Kommt es in Folge des Klimawandels zu häufigeren Dürreeignissen, so werden Verteilungs- und Priorisierungsfragen immer wichtiger, wodurch Wasser an sich zu einem mehr und mehr politisierten Themenfeld wird.

Fragestellung und theoretischer Rahmen

Die Doktorarbeit beschäftigt sich in ihrem ersten Teil mit der Frage, wie die am stärksten von Dürre betroffenen Stakeholdergruppen in Baden-Württemberg Dürre problematisieren. Dazu wird ein sozial-konstruktivistischer Ansatz der Argumentativen Policy-Analyse gewählt. Ausgangspunkt ist die Prämisse, dass die Definitionen von politischen Problemen nicht vor politischen Aushandelungsprozessen gegeben, also nicht vorpolitisch sind, sondern selbst Bestandteil dieser Aushandelungsprozesse und damit Ergebnisse von Machtverhältnissen darstellen.

Soziale Probleme sind sozial konstruiert und Ergebnisse von Aushandelungsprozessen, in denen Machtverhältnisse prägend wirken, wenn es darum geht, wessen Bewertung einer Sache sich in der Definition eines Problems durchsetzt (Definitionsmacht). Die Problematisierung wird mittels einer Frame-Analyse untersucht. Framing als politikwissenschaftlicher Fachterminus bezeichnet den Prozess, in welchem politischen Themen, Entscheidungen oder Ereignissen verschiedene Bedeutungen von unterschiedlichen Perspektiven zugewiesen werden. Erst durch spezifische Bedeutungszuweisungen und Bewertung kann aus sozialen Erfahrungen ein politisches Problem werden, das kommuniziert wird. Während dieses Prozesses wird dem Problem ein Name gegeben; einer Erfahrung oder bestimmten Situation wird Bedeutung zugewiesen; schließlich lassen sich Narrative identifizieren, mit denen Menschen Geschichten über ihre Probleme erzählen, in denen es Verantwortliche und Geschädigte gibt (beispielsweise „Dürre-Opfer“). Mit diesen Narrativen und Framings verbunden sind ganz unterschiedliche Schlussfolgerungen und Anforderungen an ein verbessertes Trockenheitsmanagement und eine nachhaltige Wassernutzung. Es stellt sich die Frage,  welche und vor allem wessen Probleme eigentlich auf welche Weise gelöst werden sollen, und wer dafür von wem als verantwortlich bezeichnet wird und einen politischen Handlungsauftrag bekommt. Hierbei geht es um die Zuschreibung von Handlungsfähigkeit (Agency) und problemlösender Verantwortung aus Sicht der Stakeholder.

Die Frage, wie etwas gerahmt (geframed) werde, verweist also darauf, wie etwas interpretiert wird, indem einem Thema unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden, um es politisch zu problematisieren. Der Prozess der Problemdefinition kann daher als ein Prozess von Bedeutungs- und Bewertungszuweisungen aufgefasst werden und mit Hilfe einer machtsensiblen, prozess-dynamisch ausgerichteten Frame-Analyse erforscht werden.

Material und Methoden

In der Dissertation werden Zeitungsartikel, Policy-Papiere und transkribierte qualitative Interviews mittels einer Inhaltsanalyse analysiert, wofür das Programm MAXQDA und Codieren verwendet werden. Im ersten Teil der Dissertation werden ca. 3000 Artikel aus Fachzeitschriften analysiert, die von organisierten Interessengruppen herausgegeben werden und daher als Sprachrohr derselben angesehen werden können. Es handelt sich um landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche und wasserwirtschaftliche Verbände. Abgedeckt sind jeweils die nationale und die regionale Ebene für Baden-Württemberg bzw. Baden. Dadurch wird es möglich zu untersuchen, wie Dürre und Trockenheit innerhalb der am stärksten von Dürre betroffenen ökonomischen Sektoren der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Wasserwirtschaft über die Zeit hinweg problematisiert und interpretiert werden.

FUP

Ausgewählt wurden die bis 2016 am häufigsten zitierten Dürreeignisse für Süddeutschland: 1946, 1975/76, 2003 und 2011/12. Durch das sektorübergreifende und longitudinale Studiendesign wird es möglich, Framingprozesse innerhalb einzelner Sektoren über die Zeit hinweg sowie auch sektorübergreifend zu vergleichen. Dadurch wird deutlich, dass alle Stakeholder ihre eigenen Probleme haben und die Wassermangelsituation und ihre spezifischen Auswirkungen jeweils sehr unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren. Dem zufolge unterscheiden sich auch die jeweiligen Lösungsvorschläge und die Adressierung von politischer Zuständigkeit.

Der Prozess des Re-Framings, also der Neubewertung von Problemen, Lösungsvorschlägen und Verantwortungszuschreibungen, wird beeinflusst von den sich über die Zeit hinweg verändernden Rollen (a)  des Staates und (b) der Wissenschaft, die politische Entscheidungen informieren soll, von (c) Identitäten und Selbstzuschreibungen der Stakeholdergruppen sowie von (d) Kontextfaktoren (z. B. Ölpreisanstieg, Landtags- oder Bundestagswahlen) und gesellschaftlichen Diskursen, die die Problemwahrnehmung und -interpretation beeinflussen. Ein Bestandteil der Dissertation ist daher neben dem empirischen Teil auch die Theoriebildung, indem am empirischen Material ein Modell entwickelt wird, das Frame-Analyse und Diskurstheorie konkreter als bisher konzeptualisiert.

Weiterhin beschäftigt sich die Dissertation in ihrem zweiten Teil mit der Untersuchung von Wassernutzungskonflikten unter Wassermangelbedingungen. Ein Ländervergleich mit Spanien rundet die Dissertation ab.